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Für ein Berlin, das verbindet

weil wir über die Grundlagen unseres Lebens eine Meinung haben sollten

Gut dreißig Jahre ist der Fall der Berliner Mauer her. Berlin war 38 Jahre unfrei, eine schreckliche Zeit. Familien zerrissen, in Ost wie in West. Bekundungen, dass sowas nie wieder passieren darf, werden alljährlich herausposaunt. Die Frage dahingehend ist allerdings, was tun wir dafür, dass Berlin frei bleibt und was bedeutet das für den Einzelnen? Ein Kommentar meinerseits.

Freiheit nach Immanuel Kant (1724-1804) ist zum einen das einzige jedem Menschen angeborene Recht, aus dem andere Urrechte allenfalls folgen, ohne ihr darum doch gleichgestellt zu sein. Freiheit ist nach KANT aber auch jene eine und ausgezeichnete Vernunftidee, die eben nicht eine bloße Idee ist, sondern unmittelbar ihre „objektive Realität“ beweist, die also, wenn auch niemals abschließend schon verwirklicht, so doch immer erfahrbar schon da ist. [I. Kant, Kritik der Urteilskraft, Akademie-Ausgabe [=AA] V, 467f.]

Freiheit ist für mich fassbar, aber nicht immer für jeden erlebbar. Im Folgenden versuche ich, meine Idee und mein Verständnis von Freiheit genauer darzulegen und immer wieder an Beispielen Berlins und der Berliner Politik deutlich zu machen. Ich habe das Thema in mehrere einzelne Abschnitte unterteilt.

Freiheit ist Sicherheit

Die Freiheit wird nur (er-)lebbar, wenn sie geschützt wird. Beim Thema Sicherheit denken die meisten Menschen immer an die Polizei und das ist grundsätzlich auch richtig so, aber für mich ist das mehr: Courage von jedem. Sicherheit wird durch alle Gewalten erzeugt: durch die Legislative (erzeugt die Gesetze), die Exekutive (setzt geltendes Recht durch) und die Judikative (spricht Recht), aber auch durch jeden einzelnen Bürger. Viele von uns – und ich erst recht – regen sich über das dreckige Berlin auf, aber wer spricht denn Menschen, die ihren Müll auf die Straßen werfen, an? Ich tue das und fasse das unter Courage zusammen. Sicherheit für mich ist allerdings auch Rechtssicherheit. Ein Begriff der immer sehr abstrakt klingen mag, aber genau eines aussagt: Der Rechtsrahmen ist die Grundlage des Rechts, also die Struktur und der wesentliche Inhalt. Er bildet sich aus Gesetzen und zum Teil aus Gepflogenheiten und Traditionen. Er wird halt nicht jeden Tag reformiert und verändert. Hier fällt mir ein Beispiel dazu ein: Nehmen wir ein Pärchen, die sich eine Zweiraumwohnung kaufen und somit nicht einfach aus ihrem Kiez gentrifiziert werden können. Dieses Pärchen bekommt ein Kind – alle freuen sich und sind glücklich. Jetzt stellt sich natürlich die Wohnungsfrage, da die bestehende zu klein wird. Genau gegenüber ist eine Wohnung frei und diese wird auch erworben. Insofern diese Wohnungen im Milieuschutzgebiet liegen, dürfen sie nicht zusammengelegt werden [OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28. März 2018, OVG 2 N 64.15]. Ich finde das nicht richtig und auch nicht fair. Es hilft übrigens auch nicht gegen Gentrifizierung und für den Erhalt von stabilen Kiezen. Milieuschutzgebiete sind ausgrenzend und nicht, wie immer postuliert, inklusiv.

Freiheit ist Wahlmöglichkeit

Ich möchte, dass jeder Mensch die Wahl hat, was er arbeitet und wo er seine Kinder zur Schule bringt und voralledingem wie. Menschen, die sich entscheiden, in den Außenbereichen der Stadt zu wohnen, haben dafür Gründe: Sie wollen mehr Ruhe, fühlen sich dort wohler oder zig andere Gründe. Jetzt liegt es in der Natur der Sache, dass in diesen Gebieten keine Vielzahl an Verkehrsmitteln angeboten wird, wie am Alexanderplatz. Das ist auch kein Problem. Es wird zum Problem, wenn ich den Menschen vorschreiben will, wie sie sich fortzubewegen haben, indem ich ihnen die Kosten für Individualverkehr in die Höhe treibe und sie gesellschaftlich ächte. Ich mache sie damit unfrei und das entspricht in keinster Weise meinem Verständnis. Gerne bemühe ich hier aber auch ein anderes Beispiel, was mir wirklich am Herzen liegt und bemühen wir dafür die bereits angesprochene Familie. Das Kind hat eine geistige Behinderung und besonderen Förderbedarf. Die Eltern wünschen sich die bestmögliche Betreuung für ihr Kind. „Das Land Berlin sieht sich in der Verpflichtung, ein gemeinsames schulisches Leben und Lernen von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichsten Lernvoraussetzungen zu ermöglichen.“ [https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/inklusion/] Dieser Satz klingt blumig und unterschreibbar, aber er ist tückisch. Er bedeutet nichts anderes, als dass Kinder mit unterschiedlichen Bedürfnissen und unterschiedlichen Voraussetzungen in eine Klasse kommen. Die Lehrer müssen versuchen, alle Schüler konsequent auf dem gleichen Niveau zu halten. Ein Kind mit geistiger Behinderung und ein normal entwickeltes Kind sollen also die gleichen Anforderungen erfüllen. Das ist doch beiden Kindern nicht fair gegenüber. Im Zweifel wird ein Kind überfordert und das andere unterfordert. Ich empfinde das als massiv unfrei.

Freiheit ist Entfaltung

Meine Eltern haben mir sehr früh beigebracht: Jeder nach seiner Façon. Lass doch jeden machen, was er will, solange er uns in Ruhe lässt. Ich finde das auch wirklich gut, jeder kann und soll sich so ausleben, wie es ihm gefällt, solange er andere dadurch nicht in seiner Lebensweise beschränkt. Mir ist es wirklich komplett egal, ob eine Frau in Männerklamotten rumläuft oder an welchen Gott ein Mensch glaubt. Egal ist mir aber nicht, dass immer wieder Rufe kommen, genau diese Gruppen von Menschen besser zu beschützen. Ich sage es ausdrücklich an einem aktuellen Beispiel: Ich möchte nicht, dass Juden besser bewacht und beschützt werden müssen. Ich möchte, dass all jene Menschen, die mit der jeweiligen Religion, der Lebensweise, der Sexualität, dem Äußeren oder der Meinung nicht klarkommen und dagegen Aggressionen ausbringen, strafrechtlich verfolgt werden. Diese Menschen haben anscheinend ein massives Problem mit Artikel 3 unseres Grundgesetzes: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Wer damit ein Problem hat, ist frei genug, diese Stadt und dieses Land zu verlassen. Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit sollten dann auch ausgewiesen werden, denn die Grund-lage unseres Lebens in Deutschland wird durch diejenigen nicht geteilt.

Freiheit ist Chance

Wir müssen Freiheit auch als Treiber von Innovation begreifen. Die Freiheit, dass sich Menschen keine Scheuklappen aufsetzen müssen, ist eine Chance. Denkansätze und Handlungen entsprechen keinem festen Rahmen mehr, sondern es werden andere Wege gegangen. Andere Wege, die wir gerade brauchen – auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. Und nein, das Fahrrad ist nicht der Heilsbringer, es werden Technologien sein, die die breite Masse von uns allen noch gar nicht kennt. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns nicht ständig selbst ausbremsen dürfen.

Wir müssen Freiheit endlich wieder verstehen und uns täglich ins Bewusstsein holen, gerade in Berlin. Freiheit ist keine Selbstverständlichkeit und da muss ich gar nicht so weit über den Tellerrand schauen. In Russland können Homosexuelle nicht frei leben. Möchten wir sowas in unserem Berlin? Ich jedenfalls nicht.

Ich möchte, dass jeder sein Leben leben kann.
Ich möchte, dass jeder seiner Passion nachgehen kann.
Ich möchte, dass jeder dort leben kann, wo er möchte.
Ich möchte, dass wir entschieden allen gegenübertreten, die uns unfrei machen wollen.
Ich möchte, dass wir in Sicherheit leben.
Ich möchte, dass wir Berlin als Chance begreifen.
Ich möchte, dass wir uns das nicht von Grünen, Linken und SPD kaputt machen lassen.

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